Zur Geschichte des Adolf-Schmidt-Observatoriums für Erdmagnetismus in Niemegk

obs1993 Observatorium
(1933)

Erdmagnetische Beobachtungen in Berlin und Potsdam

Die Erforschung des Geomagnetismus in Deutschland, insbesonders im damaligen Preußen, geht, wie Archivunterlagen beweisen, auf Alexander von Humboldt zurück. Sie sei eine der drei "wichtigsten und eigentümlichen Arbeiten" seines Lebens. Nach der endgültigen Rückkehr in seine Heimatstadt Berlin 1827 setzte sich Humboldt dafür ein, dass eine modern ausgestattete Sternwarte errichtet und gleichzeitig auch die Belange der erdmagnetischen Forschung berücksichtigt wurden. Am 11. Mai 1836 begann man in Berlin mit der kontinuierlichen Beobachtung. Zweimal täglich, zunächst um 8.00 Uhr und um 14.00 Uhr, wurden die Deklinationswerte ermittelt. Als Meßgeräte standen ein Magnetometer zur Bestimmung der Intensität, gebaut von Mayerstein in Göttingen, ein Inklinationsapparat von Gambey und ein von Baumann konstruiertes Gerät zur Bestimmung der Deklination zur Verfügung. Humboldts Engagement war aber darauf gerichtet, möglichst global den Erdmagnetismus zu studieren. Nicht zuletzt seinen Bemühungen ist es zu verdanken, daß es möglich wurde, im Zeitraum 1836 - 1841 an etwa 50 Stationen koordinierte Beobachtungen durchzuführen. Die Berliner Beobachtungen mußten aber bereits Ende 1872 infolge "eingetretener localer Störungsverhältnisse" - gemeint waren die aus der Industrialisierung und aus der verkehrstechnischen Erschließung Berlins resultierenden Beeinträchtigungen - eingestellt werden, obwohl die Messungen jahrzehntelang "in ihrer Art Nichts zu wünschen" übrig ließen. Es ist gerechtfertigt, die Ergebnisse der Berliner Messungen denen der Reihe Potsdam, Seddin und Niemegk voranzustellen.

abb1(Abb1)
Säkularer Gang der erdmagnetischen Elemente D (Deklination), H (Horizontalintensität) und Z (Vertikalintensität) für Potsdam-Seddin-Niemegk, für D von 1835 bis 1865 für Berlin sowie D in Freiberg (nach G. Porstendorfer; angepaßt an Potsdam)

E.Ritter hat die Werte von 1836 bis 1860 in der Berliner Archenhold-Sternwarte gefunden und aufbereitet. Der Verbleib der Daten aus dem Zeitraum bis 1872 ist bis heute unbekannt.
Nach der Einstellung der magnetischen Beobachtungen begann eine lange Durststrecke für den Erdmagnetismus in Preußen. Der Preußische Staat tat sich recht schwer mit der Neugründung einer magnetischen Station. Wilhelm Julius Foerster, von der Bedeutung des Geomagnetismus überzeugt, konnte nach langwierigen Verhandlungen und der Vorlage mehrerer Denkschriften erreichen, dass mit dem Bau eines magnetischen Observatoriums im Frühjahr 1887 auf dem Potsdamer Telegrafenberg begonnen wurde.

abb1Geomagnetisches Observatorium Potsdam
(1890)

Im Herbst 1889 begannen Proberegistrierungen, ab 1. Januar 1890 Dauerbeobachtungen.

Die Vorgeschichte des Niemegker Observatoriums

Wie in vielen Observatorien in aller Welt, die ihren Betrieb im Laufe der Zeit durch Fremdstörungen verlagern oder einstellen mußten, hat dieses Problem auch im Magnetischen Observatorium Potsdam schon bald eine Rolle gespielt. Bereits 1907 mußte eine Teilverlagerung des Registrierbetriebes nach Seddin erfolgen, weil durch Einführung des elektrischen Treidelbetriebes auf dem Teltow-Kanal, später auch durch die Elektrifizierung der Straßenbahn in Potsdam nicht unwesentliche Störungen des Meßbetriebes auftraten. Die Finanzierung dieser Teilverlagerung wurde mit Mitteln der Teltow-Kanal-Gesellschaft und der Stadt Potsdam erreicht. Allerdings war nach Seddin, das ca. 20 km südwestlich von Potsdam in der Nähe der Bundesstraße 2 liegt, nur die Variationsregistrierung ausgelagert worden, während die absoluten Messungen weiterhin in Potsdam erfolgten. Doch Mitte der 20er Jahre wurden Pläne bekannt, die Berliner Stadtbahn bis nach Potsdam zu elektrifizieren. Wieder wurde eine Verlagerung notwendig, diesmal eine endgültige und vollständige. Denn es zeigte sich, daß selbst in Seddin die Fahrpläne der Züge sich in den Magnetogrammen widerspiegelten, als 1927 die ersten Probezüge fuhren. Die Berliner S-Bahn, eine 800-Volt- Gleichstrombahn, machte erdmagnetische Registrierungen in Potsdam und Seddin unmöglich.

obs1993 Geheimrat Professor Dr. Adolf Schmidt,

wohl einer der bedeutensten deutschen Geophysiker und würdig, in einem Atemzug mit A.v.Humboldt und C.F.Gauss genannt zu werden, wenn es um den Erdmagnetismus geht, war seit 1902 Leiter der Magnetischen Abteilung des Preußischen Meteorologischen Instituts in Potsdam. Er hat 1907 die Teilverlagerung nach Seddin geleitet und war nun bis zur Pensionierung Anfang 1928 maßgeblich an den Vorarbeiten zur Observatoriumsgründung in Niemegk beteiligt. Sein Nachfolger war Prof. Alfred Nippoldt. Für das Observatorium wählte man einen Platz in der Nähe der Fläming-Stadt Niemegk aus. Es standen zunächst noch zwei andere Orte in der Niemegker Gegend zur Wahl. Dem Magistrat der Stadt Niemegk gelang es aber, durch besonderes Entgegenkommen die Aufmerksamkeit auf den gewählten Ort zu lenken. Die Stadt versprach sich in wirtschaftlich schwerer Zeit Aufträge für die einheimischen Handwerker und einige Arbeitsplätze. Man bot die Fläche, 1,5 km vom Ort entfernt, erschlossen an, wobei für die Wasser- , Gas- und Elektrizitätsleitungen vom Ort zum Obs.- Gelände das Institut nur ein Drittel der Kosten tragen mußte. Das Vorhandensein eines Gaswerkes in Niemegk war für Schmidt und Nippoldt ein wesentlicher Grund für die Niemegker Platzwahl. Sie versprachen sich mit der Gasheizung eine größere Konstanz und Genauigkeit bei der Untersuchung des Temperatureinflusses auf die Meßgeräte. Außerdem hatte die Reichsbahndirektion in einem Schreiben vom 27. Januar 1927 ausdrücklich erklärt, einen elektrischen Betrieb der Städtbahnstrecke, die an Niemegk vorbeiführte, insbesondere mit Gleichstrom und Schienenrückleitung, niemals einzuführen. Auch hatte die Stadt versichert, keine Gleichstromanlagen im Stadtgebiet zu dulden und nur den für das Observatorium unschädlichen dreiphasigen Wechselstrom zu nutzen. In einem Vertrag wurde festgelegt, im Stadtumkreis von 500 m alle neuen geplanten elektrischen Anlagen der Institutsleitung zur Genehmigung vorzulegen. Alle diese Maßnahmen führten dazu, dass die Einwohner von Niemegk über viele Jahre die Ansicht vertraten, dass die Existenz des Observatoriums eine industrielle Entwicklung des Niemegker Gebietes verhindert hätte. Nun hat das Observatorium in der Tat versucht, in sog. Schutzzonen um das Gelände herum Einfluß zunehmen auf den Aufbau elektrischer Anlagen, Sprengungen, Waldrodungen usw. Die Schutzzonenradien sind heute 1, 5 und 30 km. Niemals jedoch haben diese Vorsichtsmaßnahmen eine Investortätigkeit behindert, immer konnte mit den Planern Einigung erzielt werden, selbst mit der damaligen Reichsbahn bei der Elektrifizierung der Strecke Seddin - Roßlau, die bei Belzig an Niemegk vorbeiführt. Allerdings konnte bis zur politischen Wende 1989/90 verhindert werden, dass die Sowjetarmee und die damalige DDR-Armee bei Manövern Transportkolonnen am Observatorium vorbeiführten. In langwierigen Verhandlungen mit der Reichsbahndirektion hatte die Institutsleitung erreicht, dass die Bahn sich an den Kosten der Verlegung des Observatoriums nach Niemegk beteiligte. In einem Vertrag vom 26.Oktober 1929 erklärte sich die Reichsbahn bereit, 150.000 RM zu den einmaligen Aufwendungen und 100.000 RM als eine einmalige endgültige Abfindung für die laufenden Mehrkosten an die Preußische Staatskasse zu zahlen.

Am 23 Juli 1930 wurde das Observatorium offiziell eingeweiht. Es war der 70. Geburtstag von Geheimrat Adolf Schmidt. Auf Antrag des Direktors des Preußischen Meteorologischen Instituts Prof. H.v. Ficker entschied der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung am 1. April 1930, "dem neuen Magnetischen Observatorium in Niemegk die Bezeichnung -Adolf-Schmidt- Observatorium für Erdmagnetismus- beizulegen" in Anerkennung der wissenschaftlichen Leistungen seit Beginn seiner Tätigkeit in Potsdam. Ein Blick in das nun schon historische Gästebuch des Observatoriums zeigt, dass der erste Besuch nach der Einweihungsfeier am 14. September 1930 durch die Deutsche Geophysikalische Gesellschaft erfolgte. unter den 26 Namen finden sich solche wie Kohlschütter, Tams, Weickmann, Rössiger, Meißer, Jung und Haalck.

Bis 1936 war das Observatorium eine Abteilung des Meteorologischen-Magnetischen Observatoriums in Potsdam, das wiederum zum Preußischen Meteorologischen Institut Berlin gehörte. Von 1936 bis 1945 unterstand das Observatorium Niemegk dem Geophysikalischen Institut in Potsdam, das wiederum der Universität Berlin. Der Direktor in dieser Zeit war Julius Bartels, der den Nachfolger von A. Schmidt, Alfred Nippoldt, abgelöst hatte. Niemegk wurde noch im April 1945 Kampfgebiet im zweiten Weltkrieg. Infolge von direkten Kampfhandlungen und Kriegsschäden mußte die Beobachtungstätigkeit eingestellt werden. Das letzte Magnetogramm trägt das Datum vom 19. April 1945.

Die verwaltungsmäßige Zugehörigkeit des Observatoriums Niemegk nach 1945 war sehr wechselhaft. Von 1945 bis 1949 unterstand Niemegk dem Geophysikalischen Institut Potsdam, das wiederum dem Meteorologischen Dienst. Der Leiter war G. Fanselau, der dann in Nachfolge von R.Bock seit 1949 auch Direktor des Geomagnetischen Instituts in Potsdam war, das aus dem Geophysikalischen Institut hervorgegangen war. Dieses Institut und damit das Observatorium wurde später der Berliner Akademie, Forschungsgemeinschaft naturwissenschaftliche Institute, zugeführt. Mit der Akademiereform 1968/69, die zur Gründung der DDR-Akademie und zu Zentralinstituten führte, kam Niemegk zum Zentralinstitut Physik der Erde Potsdam, ab 1982 zum Heinrich-Hertz-Institut in Berlin-Adlershof als eigener Bereich. Schwerpunkte der geomagnetischen Forschung waren Geräteentwicklung, geomagnetische Landesvermessung, Tiefensondierung, Magnetosphärenphysik usw. Es wurden zu dieser Zeit auch verschiedene Probleme bearbeitet, die schwache magnetische Felder in der Industrie betrafen, bei deren Lösung die erfahrungen mit dem erdmagnetfeld hilfreich waren. Im Internationalen Geophysikalischen Jahr (IGJ) wurden mehrere Außenstationen betrieben, wobei Warnkenhagen an der Lübecker Bucht und Sosa an der gleichnamigen Talsperre im Erzgebirge bis 1991 bestanden.

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurde die Wissenschaftsstruktur in den neuen Bundesländern reorganisiert. Im Ergebnis der Evaluierung durch den Wissenschaftsrat wurde das Adolf-Schmidt-Observatorium Niemegk zum 1. Januar 1992 dem GeoForschungsZentrum Potsdam zugeordnet, hier dem Wissenschaftsbereich Geophysik, Projektbereich Geoelektrische Sondierung und Geomagnetische Felder. Schwerpunkt der Arbeit ist in Niemegk wieder die Beobachtungstätigkeit. Das GFZ hat mit der Investition in moderne Magnetometer dieser Tendenz Rechnung getragen. Eine erste bemerkenswerte Aufgabe für Niemegk nach der politischen Wende war die Erarbeitung einer magnetischen Karte für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für die Epoche 1992.5 gemeinsam mit den anderen beiden deutschen Observatorien Wingst und Fürstenfeldbruck,, . Es war seit 1937 wieder die erste Magnetkarte für das deutsche Staatsgebiet.

Das Observatorium Niemegk und bedeutende Geophysiker

Die Geschichte des magnetischen Observatoriums Niemegk in der nunmehr 106jährigen Meßreihe Potsdam-Seddin-Niemegk ist verbunden mit dem Wirken hervorragender Wissenschaftler. Über Adolf Schmidt ist schon berichtet worden. Seine theoretischen und praktischen Arbeiten werden noch heute in der Fachliteratur zitiert. Zum 100.Geburtstag von A.Schmidt hat G. Fanselau (1961) in den "Physikalischen Blättern" eine Gedenkschrift veröffentlicht. Sie schließt mit den Worten: " Es ist kaum möglich über Adolf Schmidts Leben ein besseres Motiv zu setzen als den Spruch, den er bei der Einweihung des Adolf-Schmidt-Observatoriums in Niemegk am 23.Juli 1930 in das Gästebuch eintrug: -stets vortefflich zu sein und hervor sich zu tun vor den anderen-". Julius Bartels war ein international anerkannter Wissenschaftler mit starken Verbindungen zum Observatorium. Nach seiner Promotion ging Bartels 1923 als wissenschaftlicher Mitarbeiter zu Adolf Schmidt nach Potsdam. Mit Sidney Chapman schrieb er das Standardwerk "Geomagnetism", eine Monographie zum Erdmagnetismus. Die Bartelssche planetare Kennziffer Kp, die den globalen magnetischen Störungsgrad für die Erde beschreibt, sollte besonders erwähnt werden. Seit längerer Zeit wird der Observatoriumsbetrieb bestimmt durch die Einführung neuer Meßgeräte und einer modernen Datenverarbeitung und -archivierung bei einer geringeren Zahl von Mitarbeitern. Der Zugriff zu den Meßergebnissen ist schneller, der für ein geophysikalisches Observatorium notwendige Austausch mit anderen Institutionen wird z.B. über INTERMAGNET beschleunigt. Alle diese Maßnahmen dürfen das hohe Niveau der 106jährigen erdmagnetischen Meßreihe nicht beeinflussen. Die Zuordnung des Observatoriums zum GeoForschungsZentrum Potsdam gewährleistet eine weitere positive Entwicklung.

Adolf Best


Last modified : 2007/09/06
H. Podewski (podewski@gfz-potsdam.de)